Warum wer­den Frauen nicht beför­dert?

Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer wün­schen sich zuneh­mend mehr Geschlech­ter­gleich­stel­lung am Arbeits­platz, aber sie ist nach wie vor schwer zu errei­chen. Auf 100 Män­ner in Füh­rungs­po­si­tio­nen kom­men nur 87 Frauen. Ein neues Finanz­in­stru­ment macht deut­lich, wie sich diese Lücke auf die Unter­neh­mens­er­geb­nisse aus­wir­ken kann: Hypa­tia ist ein bör­sen­ge­han­del­ter Fonds, der aus­schließ­lich in Unter­neh­men inves­tiert, die von Frauen geführt wer­den. Exper­ten hal­ten Hypa­tia für ein soli­des Invest­ment. Eine Stu­die des Peter­son Insti­tute for Inter­na­tio­nal Eco­no­mics belegt: Unter­neh­men, in denen min­des­tens 30 Pro­zent der Füh­rungs­po­si­tio­nen von Frauen besetzt sind, haben einen um sechs Pro­zent höhe­ren Gewinn.

Die zer­bro­chene Sprosse scha­det auch der Arbeits­mo­ral und der Unter­neh­mens­kul­tur. Unsere Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Unter­neh­men mit einem höhe­ren Frau­en­an­teil in Füh­rungs­po­si­tio­nen als bes­sere, siche­rere und ange­neh­mere Arbeits­plätze wahr­ge­nom­men wer­den.

Die zer­bro­chene Sprosse scha­det auch der Arbeits­mo­ral und der Unter­neh­mens­kul­tur. Unsere Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Unter­neh­men mit einem höhe­ren Frau­en­an­teil in Füh­rungs­po­si­tio­nen als bes­sere, siche­rere und ange­neh­mere Arbeits­plätze wahr­ge­nom­men wer­den.

Was hin­dert Frauen daran, in Füh­rungs­po­si­tio­nen auf­zu­stei­gen, obwohl es für die Unter­neh­men von Vor­teil wäre, sie dort zu haben? Es gibt viele Fak­to­ren, die von geschlechts­spe­zi­fi­schen Vor­ur­tei­len bis hin zu einem feind­se­li­gen Arbeits­um­feld rei­chen, aber im Fol­gen­den möchte ich zwei Gründe nen­nen, die weni­ger häu­fig dis­ku­tiert wer­den, aber den­noch einen wich­ti­gen Ein­fluss haben.

Beför­der­richt­li­nien

Eine Mög­lich­keit, mit der Unter­neh­men die Wahr­schein­lich­keit ver­rin­gern, dass Frauen in Füh­rungs­po­si­tio­nen auf­stei­gen, ist die Ein­füh­rung restrik­ti­ver Beför­de­rungs­richt­li­nien. Ein anschau­li­ches Bei­spiel: Viele Unter­neh­men ver­lan­gen, dass freie Sitze im Vor­stand mit einer Per­son mit CEO-Erfah­rung besetzt wer­den. Ange­sichts der gerin­gen Anzahl von CEO-Posi­tio­nen, die in der Ver­gan­gen­heit von Frauen besetzt wur­den, kann diese Anfor­de­rung jedoch auto­ma­tisch viele qua­li­fi­zierte Frauen aus­schlie­ßen.

Ein wei­te­res Bei­spiel: Unter­neh­men nut­zen häu­fig Füh­rungs­kom­pe­ten­zen, um poten­zi­elle Kan­di­da­ten für eine Beför­de­rung zu bewer­ten. Da die Mana­ger, die die Lis­ten mit den Füh­rungs­kom­pe­ten­zen erstel­len, häu­fi­ger Män­ner als Frauen sind, spie­geln diese Lis­ten in der Regel wider, was Män­ner erfolg­reich macht. Dies rächt sich jedoch häu­fig, wenn Frauen ver­su­chen, den glei­chen Arbeits­stil wie Män­ner anzu­neh­men. Zum Bei­spiel wer­den Män­ner als selbst­be­wusst ange­se­hen, wenn sie sich durch­set­zen, wäh­rend Frauen für das glei­che Ver­hal­ten oft als aggres­siv ange­se­hen wer­den und mit Rück­schlä­gen rech­nen müs­sen.

Im All­ge­mei­nen nei­gen Vor­ge­setzte bei der Leis­tungs­be­ur­tei­lung dazu, Män­ner mit auf­ga­ben­be­zo­ge­nen Begrif­fen (z. B. ana­ly­tisch, kom­pe­tent) und Frauen mit bezie­hungs­be­zo­ge­nen Begrif­fen (z. B. mit­füh­lend, ener­gisch) zu beschrei­ben. Bei der Beur­tei­lung von Beför­de­rungs­kan­di­da­ten wer­den auf­ga­ben­be­zo­gene Eigen­schaf­ten stär­ker gewich­tet. Auf der Grund­lage eini­ger For­schungs­er­geb­nisse möchte ich Unter­neh­men ermu­ti­gen, diese Her­aus­for­de­run­gen zu bewäl­ti­gen, indem sie die so genannte “Qua­li­fi­ka­ti­ons­viel­falt” nut­zen. Ich schlage vor, dass Unter­neh­men ihre Füh­rungs- und Beför­de­rungs­po­li­tik über­den­ken, um sicher­zu­stel­len, dass sie nicht unbe­ab­sich­tigt Män­ner bevor­zu­gen.

Nicht för­der­fä­hige Auf­ga­ben

Frauen ver­brin­gen unver­hält­nis­mä­ßig viel Zeit mit Auf­ga­ben, die zwar wich­tig sind, ihnen aber wahr­schein­lich nicht zu einer Beför­de­rung ver­hel­fen. Zu die­sen unsicht­ba­ren Auf­ga­ben gehö­ren z.B. die Ein­ar­bei­tung neuer Mit­ar­bei­ter, die Pla­nung von Team­fei­ern, die Lei­tung von Pro­jek­ten mit gerin­gem Ein­kom­men und gerin­ger Außen­wir­kung oder das Mit­schrei­ben bei Bespre­chun­gen. Die Zeit, die Frauen für diese nicht för­de­rungs­wür­di­gen Auf­ga­ben auf­wen­den, raubt ihnen Zeit und Ener­gie für för­de­rungs­wür­dige Auf­ga­ben. In einer Reihe von Expe­ri­men­ten haben Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler her­aus­ge­fun­den, dass Frauen fast 50 Pro­zent häu­fi­ger als Män­ner nicht beför­de­rungs­wür­dige Auf­ga­ben über­neh­men. Die Öko­no­men woll­ten her­aus­fin­den, ob der höhere Anteil an nicht för­der­li­chen Auf­ga­ben auf die Erwar­tun­gen zurück­zu­füh­ren ist, die der Arbeits­platz an Frauen stellt, oder auf die Eigen­schaf­ten und Vor­lie­ben von Frauen.

Zu die­sem Zweck sam­mel­ten sie Daten, um her­aus­zu­fin­den, ob Frauen beson­dere Eigen­schaf­ten haben, die sie dazu ermu­ti­gen, sich frei­wil­lig für diese Auf­ga­ben zu mel­den. Die Daten zeig­ten, dass dies nicht der Fall war: Eigen­schaf­ten wie Ver­träg­lich­keit, Altru­is­mus und Risi­ko­be­reit­schaft waren nicht in der Lage, die geschlechts­spe­zi­fi­schen Unter­schiede bei den nicht sub­ven­tio­nier­ten Auf­ga­ben zu erklä­ren. Zwei­tens ver­gli­chen die Öko­no­men reine Frauen‑, reine Män­ner- und gemischte Grup­pen. Sie stell­ten fest, dass Män­ner sich nur in der gemisch­ten Gruppe bei nicht för­de­rungs­wür­di­gen Auf­ga­ben zurück­hiel­ten, wäh­rend sie sich in der rei­nen Män­ner­gruppe frei­wil­lig mel­de­ten. Die For­scher kamen zu dem Schluss, dass die geschlechts­spe­zi­fi­schen Unter­schiede bei den nicht för­der­li­chen Tätig­kei­ten am bes­ten durch die Erwar­tun­gen und Nor­men am Arbeits­platz erklärt wer­den kön­nen und nicht durch die Eigen­schaf­ten und Prä­fe­ren­zen der weib­li­chen Beschäf­tig­ten.

Obwohl man­che sagen, die Lösung bestehe darin, Frauen zu ermu­ti­gen, öfter Nein zu sagen, unter­stützt die For­schung diese Schluss­fol­ge­rung nicht voll­stän­dig. For­scher haben gezeigt, dass die Erwar­tun­gen an Frauen in Bezug auf nicht för­de­rungs­wür­dige Auf­ga­ben so tief in der Arbeits­welt ver­wur­zelt sind, dass Frauen, nicht aber Män­ner, Rück­schläge erlei­den, wenn sie sich nicht frei­wil­lig enga­gie­ren und sich als gute Unter­neh­mens­bür­ger ver­hal­ten. Viel zu oft wer­den Frauen in eine Situa­tion gebracht, in der sie nicht gewin­nen kön­nen, was erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf ihr Fort­kom­men und ihre Beför­de­rung am Arbeits­platz hat, was zeigt, dass nicht die Frauen das Pro­blem sind, son­dern die Prak­ti­ken und Nor­men der Unter­neh­men. In den Unter­neh­men gibt es noch viel zu tun.