Das Kli­ma­wan­del-Gehirn

Viele Erkran­kun­gen des Gehirns, von Migräne bis Schlag­an­fall, wer­den durch extreme Hitze ver­schlim­mert. Die unmit­tel­barste Aus­wir­kung hoher Tem­pe­ra­tu­ren ist, dass sie die Ver­drah­tung des Gehirns stö­ren kön­nen. Aber extreme Hitze ver­ur­sacht auch eine Viel­zahl ande­rer Pro­bleme für Men­schen, bei denen Epi­lep­sie, Schi­zo­phre­nie, Alz­hei­mer, Par­kin­son und andere Krank­hei­ten dia­gnos­ti­ziert wur­den.

Das mensch­li­che Gehirn arbei­tet am bes­ten bei Außen­tem­pe­ra­tu­ren zwi­schen 20 und 23 °C. In die­sem Bereich füh­len wir uns ther­misch wohl, ohne zusätz­li­che Maß­nah­men ergrei­fen zu müs­sen. Liegt die Tem­pe­ra­tur jedoch außer­halb die­ses Bereichs, wird das Zusam­men­spiel der Kör­per­or­gane gestört.

Obwohl die Tem­pe­ra­tur des Gehirns sehr gut regu­liert wird, stö­ren zu hohe Außen­tem­pe­ra­tu­ren einige der Unter­stüt­zungs­netz­werke des Gehirns, ins­be­son­dere bei älte­ren Men­schen. Bei hohen Tem­pe­ra­tu­ren wird weni­ger Sau­er­stoff trans­por­tiert und die Stoff­wech­sel­vor­gänge ver­än­dern sich, was letzt­lich viele ver­schie­dene Sys­teme belas­tet, die die nor­male Funk­tion des Gehirns sicher­stel­len.

George Perry, Bio­lo­gie­pro­fes­sor an der Uni­ver­sity of Texas in San Anto­nio, war einer der ers­ten Wis­sen­schaft­ler, der bereits Anfang der 2010er Jahre über den Zusam­men­hang zwi­schen Kli­ma­wan­del und neu­ro­lo­gi­schen Stö­run­gen spe­ku­lierte. In sei­ner neuen Stu­die geht er davon aus, dass die gestörte Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen den Gehirn­zel­len auf hit­ze­be­dingte Dehy­drie­rung, Elek­tro­lyt­ver­luste und psy­cho­lo­gi­sche Hit­zein­to­le­ranz zurück­zu­füh­ren ist. So kön­nen Hit­ze­wel­len selbst zu Schlag­an­fäl­len bei­tra­gen, aber extreme Hitze geht auch mit erhöh­ter Luft­ver­schmut­zung ein­her, die die Wahr­schein­lich­keit eines Schlag­an­falls erhöht. Hohe Tem­pe­ra­tu­ren kön­nen auch den Schlaf stö­ren und die Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung beein­träch­ti­gen.

Es wurde außer­dem fest­ge­stellt, dass der Kli­ma­wan­del Fak­to­ren wie Kran­ken­haus­ein­wei­sun­gen wegen psy­chi­scher Stö­run­gen, die Aus­brei­tung von Krank­heits­über­trä­gern und soziale Unru­hen beein­flus­sen kann, die indi­rekt psy­chi­sche Erkran­kun­gen ver­schlim­mern kön­nen. Ein Bei­spiel ist Epi­lep­sie: Wenn die Nacht­tem­pe­ra­tu­ren stei­gen, kön­nen viele Men­schen nicht rich­tig schla­fen, was bei eini­gen zu einer Zunahme epi­lep­ti­scher Anfälle füh­ren kann.

Eine Stu­die aus dem Jahr 2023 hat gezeigt, dass diese gering­fü­gi­gen Stö­run­gen die psy­chi­sche Gesund­heit fast aller Men­schen beein­träch­ti­gen kön­nen. Hohe Tem­pe­ra­tu­ren kön­nen das Unwohl­sein ver­stär­ken, den Schlaf stö­ren und den Tages­rhyth­mus ver­än­dern, was zu mehr Stress, Angst­zu­stän­den und sogar kogni­ti­ven Beein­träch­ti­gun­gen füh­ren kann, wenn sie nicht berück­sich­tigt wer­den.

Doch wäh­rend einige Fol­gen eine Hit­ze­welle nicht über­le­ben, kön­nen andere für viele Men­schen töd­lich sein. Wäh­rend der Hit­ze­welle in Europa im Jahr 2003 waren etwa 20 Pro­zent der zusätz­li­chen Todes­fälle auf neu­ro­lo­gi­sche Erkran­kun­gen zurück­zu­füh­ren. Im Ver­gleich dazu lit­ten nur 10 Pro­zent der Bevöl­ke­rung an einer neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kung.

Hit­ze­wel­len füh­ren auch zu einem hohen Anteil hit­ze­be­ding­ter Todes­fälle in der Euro­päi­schen Union auf­grund neu­ro­lo­gi­scher Erkran­kun­gen. Demenz­er­kran­kun­gen, ins­be­son­dere Alz­hei­mer, sind die Haupt­ur­sa­che für die über­höhte Sterb­lich­keit wäh­rend der letz­ten Hit­ze­pe­ri­oden und machen 27 % der hit­ze­be­ding­ten Todes­fälle aus. Dies ist alar­mie­rend und hat die Gesund­heits­be­hör­den in Alarm­be­reit­schaft ver­setzt. Die Behör­den war­nen nun davor, dass Men­schen mit Demenz bei Hitze zusätz­li­chen Risi­ken aus­ge­setzt sind. Demenz ist ein Risi­ko­fak­tor für Kran­ken­haus­auf­ent­halte und Todes­fälle wäh­rend Hit­ze­wel­len, heißt es jetzt auf Web­sites. Hei­ßes Wet­ter stellt ein Risiko für Pati­en­ten mit schwe­ren psy­chi­schen Erkran­kun­gen wie Schi­zo­phre­nie dar, da Medi­ka­mente die Tem­pe­ra­tur­re­gu­la­tion beein­flus­sen kön­nen.

Aber Vor­sicht: Der Kli­ma­wan­del wird nicht nur bestehende Sym­ptome von Hirn­er­kran­kun­gen ver­schlim­mern. Er wird — zumin­dest bei Mor­bus Alz­hei­mer — wahr­schein­lich zu mehr Pati­en­ten füh­ren. Die Haupt­ur­sa­che der Krank­heit sind Stress­re­ak­tio­nen des Gehirns. Hit­zestress wird den Über­gang vom nor­ma­len Altern zu Alz­hei­mer häu­fi­ger machen.