Die Rolle von Hor­mo­nen bei Epi­lep­sie

Epi­lep­sie ist eine welt­weit ver­brei­tete Erkran­kung, von der etwa 50 Mil­lio­nen Men­schen betrof­fen sind. Die Hälfte aller Betrof­fe­nen sind Frauen. Bis­her wurde bei der Behand­lung von Män­nern und Frauen keine Dif­fe­ren­zie­rung vor­ge­nom­men. Die Erfah­rung von Epi­lep­sie ist jedoch bei Män­nern und Frauen unter­schied­lich. Die Schwan­kun­gen der Hor­mone, ins­be­son­dere die der Östro­gene, kön­nen bei Frauen die Häu­fig­keit von Anfäl­len in ver­schie­de­nen Lebens­pha­sen beein­flus­sen. Dies betrifft die repro­duk­ti­ven Jahre, die Schwan­ger­schaft, die Peri­me­no­pause und die Meno­pause. Dies ist bei der Ent­wick­lung von The­ra­pien für Frauen zu berück­sich­ti­gen und ent­spre­chend anzu­pas­sen.

Was ist Epi­lep­sie?

Bei Men­schen ohne Epi­lep­sie ist die elek­tri­sche Akti­vi­tät des Gehirns ins­ge­samt sta­bil. Die Ein­wir­kung von Signa­len auf die Neu­ro­nen ermög­licht einen fein abge­stimm­ten Aus­gleich zwi­schen Erre­gung (erhöhte elek­tri­sche Akti­vi­tät des Gehirns) und Hem­mung (redu­zierte elek­tri­sche Akti­vi­tät des Gehirns). Bei einer Epi­lep­sie ist die­ses Gleich­ge­wicht jedoch gestört. Im Falle eines Aus­bruchs unkon­trol­lier­ter elek­tri­scher Akti­vi­tät sind einige oder alle Neu­ro­nen vor­über­ge­hend über­er­regt oder im „Schnell­gang“. Dies resul­tiert in einem Anfall.

Diese Unter­bre­chung kann unvor­her­seh­bar auf­tre­ten, was einem Erd­be­ben ähnelt, bei dem der Anfall aus hei­te­rem Him­mel kommt und dann in der Regel abrupt auf­hört. Die Lebens­qua­li­tät von Men­schen mit Epi­lep­sie kann erheb­lich beein­träch­tigt wer­den. Zudem besteht für sie ein erhöh­tes Risiko, nicht nur an den Fol­gen der Epi­lep­sie selbst, son­dern auch an ande­ren Kom­pli­ka­tio­nen von Anfäl­len oder durch Sui­zid zu ver­ster­ben.

Wel­chen Ein­fluss haben Hor­mone?

Die Hor­mone Östro­gen und Pro­ges­te­ron wer­den in den Eier­stö­cken sowie im Gehirn pro­du­ziert. Unab­hän­gig davon, ob eine Frau an Epi­lep­sie lei­det oder nicht, zei­gen sich Schwan­kun­gen der Spie­gel die­ser Hor­mone im Laufe ihres Lebens. Epi­lep­sie kann jedoch auch die Pro­duk­tion von Östro­gen und Pro­ges­te­ron beein­flus­sen. Östro­gen signa­li­siert in der Regel eine höhere elek­tri­sche Akti­vi­tät, wäh­rend Pro­ges­te­ron eine gerin­gere Akti­vi­tät anzeigt. Das Ver­hält­nis die­ser bei­den Hor­mone ist für das feine Gleich­ge­wicht der elek­tri­schen Akti­vi­tät im Gehirn von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Ein ungüns­ti­ges Ver­hält­nis kann die­ses Gleich­ge­wicht jedoch stö­ren und zu einer Ach­ter­bahn­fahrt der Sym­ptome füh­ren.

Einige spe­zi­elle Anti­kon­vul­siva kön­nen eben­falls zu einer Ver­än­de­rung des Ver­hält­nis­ses von Östro­gen und Pro­ges­te­ron füh­ren, was wie­derum die Anfalls­häu­fig­keit beein­flus­sen kann. Neh­men wir das Bei­spiel der „Mens­trua­ti­ons­epi­lep­sie“, von der laut einer Stu­die etwa die Hälfte aller Frauen mit Epi­lep­sie betrof­fen ist. Bei die­ser Art von Epi­lep­sie kön­nen Frauen zu bestimm­ten Zei­ten des Mens­trua­ti­ons­zy­klus mehr Anfälle erlei­den. Diese Phä­no­mene mani­fes­tie­ren sich am häu­figs­ten kurz vor der Peri­ode, wenn der Pro­ges­te­ron­spie­gel sinkt und sich das Ver­hält­nis von Östro­gen zu Pro­ges­te­ron ver­än­dert. Folg­lich scheint Pro­ges­te­ron einen pro­tek­ti­ven Effekt gegen­über Anfäl­len zu besit­zen.

Die Wech­sel­jahre sind eine wei­tere Phase im Leben einer Frau, in der es zu hor­mo­nel­len Ver­än­de­run­gen kommt. Bei Frauen, die an mens­trua­ti­ons­be­ding­ter Epi­lep­sie lei­den, kann es wäh­rend der Peri­me­no­pause zu einer Zunahme der Anfälle kom­men, wenn sowohl der Östro­gen­spie­gel als auch der Pro­ges­te­ron­spie­gel unre­gel­mä­ßig wer­den und die Peri­oden unre­gel­mä­ßig wer­den. In den Wech­sel­jah­ren hin­ge­gen kommt es zu einer Abnahme der Anfälle, sofern beide Hor­mon­spie­gel kon­stant nied­rig sind. Die For­schung ist sich bereits seit län­ge­rer Zeit der zykli­schen Natur der schwan­ken­den Fort­pflan­zungs­hor­mone bei Frauen und deren Aus­wir­kun­gen auf die Epi­lep­sie bewusst. Aller­dings wurde die­ses Wis­sen bis­lang noch nicht in die Behand­lung von Frauen inte­griert.

Was soll­ten wir tun?

Es besteht drin­gen­der For­schungs­be­darf hin­sicht­lich der Aus­wir­kun­gen hor­mo­nel­ler Schwan­kun­gen in ver­schie­de­nen Lebens­pha­sen einer Frau auf ihre Epi­lep­sie und ihre Lebens­qua­li­tät. Es ist von emi­nen­ter Wich­tig­keit, die Frage zu beant­wor­ten, ob die Häu­fig­keit von Anfäl­len durch die Gabe von Pro­ges­te­ron zu bestimm­ten Zei­ten im Mens­trua­ti­ons­zy­klus redu­ziert wer­den kann. Ebenso muss eru­iert wer­den, ob Östro­gene, die im Rah­men einer Hor­mon­er­satz­the­ra­pie in den Wech­sel­jah­ren ver­ab­reicht wer­den, das Risiko für Anfälle im spä­te­ren Leben erhö­hen.

Die Erfor­schung des Ein­flus­ses von Hor­mon­schwan­kun­gen auf Epi­lep­sie ist von ent­schei­den­der Bedeu­tung, um die spe­zi­fi­schen Aus­lö­ser für die Anfälle vie­ler Frauen zu iden­ti­fi­zie­ren und eine effek­tive Behand­lung zu ermög­li­chen. Etwa 30 % der Frauen mit Epi­lep­sie spre­chen nicht auf eine medi­ka­men­töse Behand­lung an, wobei der Anteil der­je­ni­gen, bei denen hor­mo­nelle Fak­to­ren eine Rolle spie­len, unbe­kannt ist. Anfälle stel­len jedoch einen wesent­li­chen Fak­tor bei der Belas­tung durch diese Krank­heit dar. Die Belas­tung, die mit die­ser Erkran­kung ein­her­geht, kann durch eine opti­mierte Behand­lung der Anfälle redu­ziert wer­den.