Das Atten­tat auf Trump führt zu psy­cho­lo­gi­schem Stress und Pola­ri­sie­rung

Der Mord­an­schlag auf den ehe­ma­li­gen US-Prä­si­den­ten Donald Trump war ein gewal­ti­ger Schock, der die Gesell­schaft über alle poli­ti­schen Lager hin­weg erschüt­tert hat. Bei der Schie­ße­rei auf Trumps Wahl­kampf­ver­an­stal­tung in Penn­syl­va­nia wurde der Kan­di­dat offen­bar am Ohr getrof­fen und im Gesicht ver­letzt, ein Zuschauer getö­tet und zwei wei­tere schwer ver­letzt. Und das vor dem Hin­ter­grund tie­fer und immer gefähr­li­cher wer­den­der sozia­ler Grä­ben im Land. Exper­ten haben her­aus­ge­fun­den, dass dra­ma­ti­sche Fälle poli­ti­scher Gewalt beun­ru­hi­gende psy­cho­lo­gi­sche Aus­wir­kun­gen haben kön­nen, nicht nur auf die­je­ni­gen, die sie per­sön­lich mit­er­le­ben, son­dern auch auf Mil­lio­nen von Men­schen, die sol­chen Ereig­nis­sen durch Online-Bil­der, Videos und soziale Medien aus­ge­setzt sind.

Von der Ermor­dung des dama­li­gen US-Prä­si­den­ten John F. Ken­nedy bis zur Schie­ße­rei auf die dama­lige US-Kon­gress­ab­ge­ord­nete Gabri­elle Gif­fords in Ari­zona — Gewalt gegen einen poli­ti­schen Amts­trä­ger oder eine Per­sön­lich­keit des öffent­li­chen Lebens löst oft nicht nur ein anfäng­li­ches Gefühl des Schocks aus, son­dern auch das Bedürf­nis, zu ver­ste­hen, was pas­siert ist — und was es über die Gesell­schaft aus­sagt, der wir alle ange­hö­ren. Im Gegen­satz zu frü­he­ren Tra­gö­dien muss­ten die Men­schen die dra­ma­ti­schen Bil­der und die unun­ter­bro­chene Medi­en­be­richt­erstat­tung über die Schüsse auf Trump jedoch fast in Echt­zeit ver­ar­bei­ten.

Was hier natür­lich anders ist, ist das Wachs­tum der sozia­len Medien, die Tat­sa­che, dass wir sofort Bil­der und Videos von der Schie­ße­rei oder den Fol­gen der Schie­ße­rei oder vom ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten Trump mit Blut im Gesicht sehen kön­nen. Die Kon­fron­ta­tion mit die­sen Bil­dern und der Bericht­erstat­tung dar­über kann zu einer Art kol­lek­ti­vem Trauma füh­ren.

Frü­here For­schun­gen kon­zen­trier­ten sich dar­auf, wie Men­schen mit trau­ma­ti­schen Ereig­nis­sen wie den Anschlä­gen vom 11. Sep­tem­ber und den Bom­ben­an­schlä­gen auf den Bos­ton-Mara­thon umge­hen. Als der 11. Sep­tem­ber geschah, erhiel­ten die meis­ten Men­schen ihre Nach­rich­ten aus der Fern­seh­be­richt­erstat­tung. Heute erhal­ten viele Men­schen ihre Nach­rich­ten online, oft über ein Smart­phone, das sie stän­dig bei sich tra­gen. Die Geschwin­dig­keit, mit der wir auf gra­fi­sche Bil­der zugrei­fen kön­nen, die Geschwin­dig­keit, mit der wir gra­fi­sche Bil­der über­tra­gen kön­nen, die über­wäl­ti­gende Anzahl von Bil­dern, die schnell und ohne Kon­text ver­brei­tet wer­den kön­nen, ist bei­spiel­los.

Unter­su­chun­gen zu den Bom­ben­an­schlä­gen auf den Bos­ton-Mara­thon haben gezeigt, dass die Kon­fron­ta­tion mit blu­ti­gen und dras­ti­schen Bil­dern gra­vie­rende Aus­wir­kun­gen auf die psy­chi­sche Ver­fas­sung der Men­schen hat. Es wurde auch fest­ge­stellt, dass die täg­li­che Kon­fron­ta­tion mit Medi­en­be­rich­ten über die Bom­ben­an­schläge in der dar­auf­fol­gen­den Woche von sechs oder mehr Stun­den mit einem höhe­ren Grad an aku­tem Stress ver­bun­den war als die direkte per­sön­li­che Kon­fron­ta­tion mit den Anschlä­gen selbst. Die Bil­der und Videos von den jüngs­ten Schüs­sen auf Trump waren viel­leicht nicht so dra­ma­tisch, aber sie zeig­ten Blut, das von der Seite eines ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten tropfte, und Videos von der Lei­che des Schüt­zen auf dem Dach eines nahe gele­ge­nen Gebäu­des, nach­dem er vom Secret Ser­vice getö­tet wor­den war.

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Unter­schied zu eini­gen frü­he­ren Gewalt­ta­ten besteht darin, dass das Atten­tat auf Trump in einem Umfeld extre­mer poli­ti­scher Pola­ri­sie­rung statt­fand, was dazu führte, dass Ein­zel­per­so­nen das­selbe Ereig­nis sehr unter­schied­lich inter­pre­tier­ten. Wäh­rend einige Men­schen mit Empö­rung oder Bestür­zung auf den Atten­tats­ver­such reagier­ten, reagier­ten andere mit Gleich­gül­tig­keit oder Sar­kas­mus und mach­ten sogar Witze dar­über, dass die Kugel ihr Ziel ver­fehlt hatte.

Die Pola­ri­sie­rung selbst kann sehr belas­tend sein. Eine Stu­die über Mas­sen­er­schie­ßun­gen, Kli­ma­ka­ta­stro­phen und die Ermor­dung von George Floyd durch die Poli­zei ergab, dass poli­ti­sche Pola­ri­sie­rung zu den belast­ends­ten Erfah­run­gen gehört, über die Men­schen berich­ten. Dar­über hin­aus besteht nach Ereig­nis­sen wie dem Atten­tats­ver­such auf Trump die Gefahr von Des­in­for­ma­tion und Fehl­in­for­ma­tion. Unmit­tel­bar nach dem Atten­tat tauch­ten an bei­den Enden des poli­ti­schen Spek­trums Ver­schwö­rungs­theo­rien auf. In Zei­ten wie die­sen ist es daher wich­tig zu über­prü­fen, ob Infor­ma­tio­nen aus einer seriö­sen Quelle stam­men.

Wenn wir ein sol­ches kol­lek­ti­ves Trauma erle­ben, müs­sen wir einen Schritt zurück­tre­ten. Wenn sol­che Ereig­nisse gesche­hen, müs­sen wir unter ande­rem einen Atem­zug neh­men und uns fra­gen: Was weiß ich wirk­lich und wie passt das zu mei­nem Ver­ständ­nis der Welt um mich herum?”

Nicht jeder reagiert gleich. Es kann sein, dass einige dies als Zei­chen sehen, dass wir einen Schritt zurück­tre­ten müs­sen. Wir müs­sen über­den­ken, was wir tun und was wir sagen, wie wir mit­ein­an­der umge­hen und wie wir über­ein­an­der reden. Die erste Reak­tion man­cher könnte auch sein, noch mehr Gas zu geben, noch lau­ter und stär­ker auf­zu­tre­ten. Aber Vor­sicht: Gewalt darf nicht mit Gegen­ge­walt beant­wor­tet wer­den. Bevor wir han­deln, soll­ten wir uns über­le­gen, was unser über­ge­ord­ne­tes Ziel ist und wie wir es am pro­duk­tivs­ten und effek­tivs­ten errei­chen kön­nen.

Nach sol­chen Ereig­nis­sen wird emp­foh­len, den Medi­en­kon­sum nach Bedarf ein­zu­schrän­ken, um die psy­chi­sche Gesund­heit zu schüt­zen. Man sollte also dar­auf ach­ten, wie viel man mit bild­haf­ten Dar­stel­lun­gen zu tun hat. Es ist unwahr­schein­lich, dass es psy­cho­lo­gisch vor­teil­haft ist, immer wie­der Bil­der zu sehen. Vor allem Jour­na­lis­ten sind durch ihre Bericht­erstat­tung oft trau­ma­ti­schen Bil­dern oder The­men aus­ge­setzt, und es gibt Res­sour­cen, um damit umzu­ge­hen.

Es ist auch wich­tig, dass Eltern mit ihren Kin­dern dar­über spre­chen, was pas­siert ist. Als Erwach­sene müsst ihr vor allem sicher­stel­len, dass ihr eure Gefühle, Gedan­ken, Ideen, Über­zeu­gun­gen und Werte gut durch­dacht habt. Was ist die Bot­schaft, die ihr ver­mit­teln wollt? Wenn ihr gestresst oder ver­ängs­tigt seid, wer­den es eure Kin­der mer­ken, also sprecht offen dar­über. Wenn sol­che Dinge pas­sie­ren, ist das auch eine Gele­gen­heit für uns, unse­ren Kin­dern zu sagen: Wie den­ken wir dar­über? Was sind unsere Werte im Umgang mit Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten?” Es ist nicht not­wen­dig, eure Kin­der mit grau­sa­men Details zu kon­fron­tie­ren, aber ihr soll­tet die Nach­rich­ten auf eine Art und Weise erklä­ren, die ihrem Alter und ihrem Ver­ständ­nis­ni­veau ent­spricht.